Interview im Stiftungsrat - Vera Gotsch-Rüdt und Carl Classen

Vera Gotsch-Rüdt (VG): Ich danke dir, Carl, für deine Idee, unser Wirken in einem Interview zu erörtern.

Der Rückblick auf mein Engagement im VKHD und später in der SHZ ist in vielerlei Hinsicht ein durchweg positiver. Es sind gute 20 Jahre, in denen ich neben meiner Arbeit in der Vollzeitpraxis ganz besonders die Arbeit in den unterschiedlich zusammengesetzten Teams als große Bereicherung für meine Professionalität in der Praxis erfahren habe. Als Einzelkämpferin fühlte ich mich gerade in den ersten Jahren meiner Praxistätigkeit durch den enormen berufspolitischen Wissenstransfer sehr gestärkt und habe die kollegiale Teamarbeit als wunderbare Ergänzung zur Praxisarbeit erlebt. Daraus haben sich langjährige freundschaftliche Verbindungen gestaltet.

Carl Classen (CC):Die SHZ bemüht sich ja um einen „Mittelweg mit Augenmaß“, mit dem wir die in vielen Ausbildungsgängen und bei vielen Kolleg*innen durchaus gegebene Ausbildungsqualität fördern, sichtbar machen und öffentlich dokumentieren können. Es soll ein hoher Standard sein, doch für Studierende und Kolleg*innen auch finanzierbar und kein Nachbau universitärer Strukturen. Ist das aus deiner Sicht gelungen?

VG: Ja, ich bin schon der Meinung, dass wir – gerade auch durch die Zertifikats-Prüfung und die Supervisionszeit – den Studierenden sehr entgegen kommen. Das ist eine Wegbegleitung, die ich mir nach dem Studium sehr gewünscht, und die viele von uns „alten Hasen“ auch gebraucht hätten. Was die Preisgestaltung angeht, haben wir uns immer sehr eingeschränkt, indem viel ehrenamtliche Arbeit von allen in der SHZ eingebracht wurde.

CC: Manche Kolleginnen oder Kollegen meinen, „Funktionsträger“ in Organisationen wären ein spezieller Typ Mensch, der gerne in Gremien tagt, sich politisch profiliert, meist unverbindlich antwortet und so fort. Sind dir solche Klischees auch schon begegnet?

VG: Ich hatte nie den Eindruck, für mein Engagement negativ beurteilt zu werden. Ja, besonders in großen HP-Verbänden sind mir solche „Funktionärs-Attitüden“ damals sehr fremd gewesen. Manchmal sind dadurch innovative und gremienübergreifende Ideen verhindert worden. Mit emotionaler Distanz in solchen Konferenzen klug zu verhandeln, war mir nicht von Anfang an gegeben. Es war insbesondere die Team-Arbeit, die uns immer wieder gegenseitig geholfen hat, Ärger oder Frustration zu überwinden und am Ball zu bleiben.

CC: Oder einmal anders herum gefragt: Verändern Ämter und Funktionen mitunter die Menschen, die Aufgaben und Positionen innehaben?

VG: Veränderung habe ich bei mir eher so erlebt, dass meine Sicht auf den Beruf als HP-Homöopathin sich sehr differenziert hat im positiven Sinne. Interessanterweise sind „Selbstprofilierer“ oder Menschen, die mit Eigennutz in diese Positionen gekommen sind, in unseren Teams nie lange geblieben. Im Rückblick zeichnet gerade das unsere Teams aus.

CC: In der politischen und öffentlichen Arena kann es ja sehr heikel sein, charakterliche Qualitäten zu thematisieren. Meistens endet so etwas in einer Schlacht, in der beide Seiten Verlierer sind. Aber zugleich haben wir beide doch recht hautnah erlebt, dass Charakter und innere Haltung von Beteiligten sehr entscheidend sein können und wichtiger sind, als die Agenda, für die jemand steht. Wagst du, etwas zu sagen, wie du das erlebt hast?

VG: Die SHZ entstand und arbeitet ja im fortgesetzten Austausch in einem weiten kollegialen Feld und natürlich auch mit anderen Organisationen. In dieser teils gelingenden, teils noch nicht gelungenen Zusammenarbeit, erlebte ich tatsächlich extreme Schattierungen. Respekt und Kooperation beeindruckten mich ebenso wie die Tatsache, wie unfair, respektlos und teilweise intrigant agiert werden konnte, wenn es um Eigeninteressen oder Machtdurchsetzung ging. Da habe ich dazu gelernt, dass auch Homöopath*innen Menschen sind, die ihrem beruflichen Ethos auf der Ebene der Verhandlungen deutlich vermissen ließen. Es kommt sehr auf den Geist in einer Organisation an, damit Eigennutz und Ego-Trips, wie schon gesagt, am besten gar nicht erst Fuß fassen können. So betrifft das natürlich uns alle und nicht nur diese oder jene Organisation. Basis ist immer ein gemeinsam angestrebtes Ziel, der Wunsch, die für alle Beteiligten bestmögliche Lösung zu finden. Wenn allerdings Eigenreflexion fehlt, im schlechtesten Falle gar gelogen und getrickst wird, verliert die Agenda bald an Halt und Verhandlungsspielräume gehen verloren. Das geht durchaus anders – und motiviert dann auch viel mehr!

CC: Gab es in deinem Engagement für die Homöopathie besonders prägende Erfahrungen, und was hast du davon mitgenommen?

VG: Ja, es war von Anfang an eine große Bereicherung, in einer sehr offenen Team-Atmosphäre in Beratung zu sein, Lösungen zu suchen und gemeinsam zu finden. Die Motivation war schon durch die Gruppendynamik sehr hoch.

CC: In der Öffentlichkeit und bei potenziellen Patientinnen und Patienten ist die SHZ immer noch viel zu wenig bekannt. Woran liegt das, und was können wir für eine bessere Bekanntheit tun?

VG: Die Patient*innen schenken den Therapeut*innen Vertrauen, meistens durch Empfehlung, oder durch Recherche im Internet. Die wenigsten meiner Patient*innen wussten von der SHZ. Es liegt an uns Therapeut*innen, unsere SHZ-Zertifizierung transparent zu machen, darauf hinzuweisen, dass wir uns auch nach langjähriger Praxis weiterbilden und dies mit dem Zertifikat zeigen. Die Medien interessieren sich bekanntlich sehr viel mehr für negative Vorfälle, woraus folgt: ohne Millionen-Etat für Agenturarbeit brauchen wir auch eigene Kanäle.

CC: Wir haben nun ja nicht mehr Weihnachten – aber gibt es irgendetwas, was du der SHZ, oder dir für die SHZ wünschen möchtest?

VG: Dafür darf das ganze Jahr Weihnacht sein. Ich wünsche der SHZ, dass sie sich weiter in der Fachöffentlichkeit darstellen kann und sich weiter etabliert. Das Image der SHZ ist bereits sehr positiv und setzt sich von anderen Anbietern deutlich ab. Ich wünsche der SHZ, dass sie die Mittel bekommt, gute Öffentlichkeitsarbeit zu machen, um – auch durch Vernetzungen, z.B. mit Patienten-Organisationen – mehr Wahrnehmung und Einfluss in der Öffentlichkeit zu erreichen. Ganz wichtig ist, dass die Arbeit in der Geschäftsstelle angemessen bezahlt werden kann.

Ich bin sehr dankbar für all die Erfahrungen, die ich in diesen gut 15 Jahren, sowohl im Vorstand wie auch im Stiftungsrat, machen durfte. Und das Besondere daran ist, dass Freundschaften und innere Verbindungen zu einander, lebendig bleiben.

Ich danke dir, Carl!

CC: Und ich danke dir, Vera, für dein 15-jähriges intensives Engagement!

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